Darf ein Tierheilpraktiker einen Hund einschläfern?

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Kürzlich meldete eine Regionalzeitung, dass in Bielefeld ein Tierheilpraktiker vor Gericht stünde, weil er (mit was für einer Substanz auch immer) einen Hund per Injektion getötet haben soll, nach Aussage der Besitzer:innen unter schweren Qualen für das Tier.

Das ist für sich genommen natürlich ein bemerkenswerter Vorgang, der rechtlich hoffentlich entsprechend gewürdigt wird. Noch bemerkenswerter aber erscheint mir die Tatsache, dass die Besitzer:innen des Hundes dem Tierheilpraktiker einen entsprechenden Auftrag erteilt haben, ganz offenbar in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass Tierheilpraktiker:innen Euthanasien weder durchführen können noch dürfen.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder waren das völlig ignorante Leute, die gar nix blicken, also ein kompletter Ausnahmefall, oder es gibt da irgendeine diffuse und vielleicht sogar allgemein verbreitete Wahrnehmungsstörung in der Öffentlichkeit, in dem Sinne, dass Tierärzt:innen und Tierheilpraktiker:innen irgendwie als gleichwertig gesehen werden. Letzteres würde mich irritieren und beunruhigen. Aber nachdem man in Tierhaltergruppen auf Social Media bei Notfällen immer mal wieder den verwegenen Ratschlag hören kann, sofort einen Tierarzt ODER einen Tierheilpraktiker aufzusuchen, ist es vielleicht tatsächlich notwendig, mal den einen oder anderen Bilderrahmen wieder gerade zu rücken.

Wie wird man Tierärztin oder Tierarzt?

Man studiert (mindestens) elf Semester, also fünfeinhalb Jahre, an einer tiermedizinischen (und natürlich staatlich anerkannten) Universität und schließt dieses Studium mit einem Staatsexamen ab. Mit dem Examenszeugnis in der Hand beantragt man dann seine staatliche Zulassung als Tierarzt, die sogenannte Approbation. Wenn man zusätzlich durch ein polizeiliches Führungszeugnis einen unbescholtenen Lebenswandel nachweisen kann, bekommt man dann auch seine Approbationsurkunde, und das ist der Zeitpunkt, ab dem man die (natürlich staatlich geschützte) Berufsbezeichnung „Tierärztin“ oder „Tierarzt“ führen und in diesem Beruf tätig werden darf.

Wie wird man Tierheilpraktiker:in?

Um möglichst neutral und nüchtern zu bleiben, zitiere ich einfach Wikipedia: „Die Berufsbezeichnung „Tierheilpraktiker“ kann von jedermann geführt werden, ein Befähigungsnachweis ist hierfür nicht erforderlich (…) Während die Ausbildung von Tierärzten zahlreichen staatlichen Vorgaben unterliegt und Studenten diverse Prüfungen unter staatlicher Aufsicht ablegen müssen, bevor sie die staatliche Zulassung zur Berufsausübung beantragen können, unterliegen die Ausbildungsangebote für Tierheilpraktiker keinerlei staatlichen Vorgaben. Zahlreiche Institutionen bieten miteinander kaum vergleichbare Kurse unterschiedlichster Dauer (von einem Wochenende bis zu mehreren Jahren) und Qualität an, bei denen häufig als „Diplom“ bezeichnete Abschlussurkunden verliehen werden. Die staatlich nicht anerkannten Abschlüsse, welche die privaten Ausbildungsanbieter vergeben, bergen dabei die Gefahr in sich, Tierbesitzern einen falschen Eindruck vermeintlicher Professionalität zu vermitteln.“

Also, was braucht man, um Tierheilpraktikerin oder Tierheilpraktiker zu werden? Genau gar nix! Jede und jeder von Ihnen, die das hier jetzt lesen, kann sofort heute beschließen, sich ein entsprechendes Schild an die Tür zu schrauben, eine Website online zu stellen und sich fürderhin als THP zu verdingen. Als Tierbesitzer:innen haben Sie angesichts einer solchen Pseudo-Berufsbezeichnung genau KEINE Möglichkeit, irgendeine tatsächliche Qualifikation für die Diagnostik und Therapie erkrankter Tiere voraussetzen zu können.

Warum können und dürfen Tierheilpraktiker:innen auf gar keinen Fall Tiere euthanasieren? Eigentlich ganz einfach: Weil Sie, die Leserinnen und Leser dieses Blogs, das auch nicht dürfen! Es gibt da zwischen Ihnen und Tierheilpraktiker:innen aus juristischer Sicht absolut keinen Unterschied. Paragraph 4 des Tierschutzgesetzes verlangt für das Töten eines Wirbeltieres „die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten“, und die haben weder Sie als Normalbürger:innen noch irgendwelche Tierheilpraktiker:innen.

Der gleiche TSchG-Paragraph fordert auch, dass ein Wirbeltier „nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit“ getötet werden darf. Dies ist für Tierheilpraktiker:innen natürlich eine nicht erfüllbare Forderung, da sie (ebenso wie alle Normalbürger:innen) keinen legalen Zugang zu den entsprechenden sedierenden bzw. narkotisierenden Medikamenten haben, ganz zu schweigen von den für die Euthanasie regelmäßig verwendeten Barbituraten, die sogar dem Betäubungsmittelrecht unterliegen und nur von Mediziner:innen gehandhabt werden dürfen, die im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis sind.

Also: Ich weigere mich zu glauben, dass es da draußen allzu viele Tierbesitzer:innen gibt, die auf die absolute Schnapsidee verfallen würden, Tierheilpraktiker:innen den Auftrag zur Euthanasie ihres Tieres zu erteilen. Aber wie immer gibt es offenbar die berüchtigten Ausnahmen von der Regel. Deshalb diese schnelle Klarstellung. Jedes arme Haustier, das da mit irgendwelchen Substanzen qualvoll zu Tode gebracht wird, ist natürlich eines zu viel.

Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Ralph Rückert

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