Und nochmal: Neue Gebührenordnung und Tierkrankenversicherungen

Und nochmal: Neue Gebührenordnung und Tierkrankenversicherungen

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Ich schreibe mir nun seit Jahren die Finger blutig, um die deutschen Tierhalterinnen und Tierhalter vor der aktuellen Entwicklung mit einer zunehmenden Verknappung tiermedizinischer Leistungen (vor allem, aber nicht nur im Notdienst) und steil steigenden Gebühren zu warnen. Trotz allen Bauchwehs über das rüde Geschäftsgebaren so mancher Versicherungsgesellschaften sehe ich im Abschluss einer möglichst optimal zu den individuellen Umständen passenden Tierkrankenversicherung einen Weg, die Hobby-Tierhaltung auch für Menschen finanziell abzusichern, die diesbezüglich nicht optimal aufgestellt sind.

In meinem Artikel über TKVs von 2016 habe ich mich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wer den Abschluss einer solchen Versicherung dringend erwägen sollte, und das recht ausführlich und wortreich. Mein junger amerikanischer Kollege Marcus Dela Cruz, ein Nottierarzt aus Berkeley in Kalifornien, macht das kürzer, einfacher und deshalb vielleicht besser als ich, siehe Instagram-Screenshot. Seine knappe und bündige Entscheidungshilfe ist natürlich auf Englisch, wir gehen aber davon aus, dass sie trotzdem für die meisten unserer Leser:innen verständlich sein sollte.

Interessant dabei: Im Begleittext seines Postings schreibt Kollege Dela Cruz, dass er den gleichen Algorithmus etwas mehr als ein Jahr zuvor schon mal veröffentlicht hatte, damals aber noch mit einem „Schwellenwert“ von 5.000 Dollar, und dass seine Erfahrungen als Nottierarzt in einer Region mit hohen Lebenshaltungskosten ihn nun zu dieser drastischen Korrektur nach oben veranlasst haben.

Damit haben wir also hier wie dort die gleiche Entwicklung: Schnell steigende Lebenshaltungskosten bringen uns alle unter finanziellen Druck. Die extrem langfristig vorbereitete und dringend notwendige Novellierung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) tritt nun zu einem denkbar unglücklichen Zeitpunkt in Kraft. Konnte sich jemand Hobby-Tierhaltung bisher gerade so leisten, wird es jetzt dann unweigerlich eng. Damit wird auch der Personenkreis, der über den Abschluss einer TKV nachdenken muss, zwangsläufig größer.

In meinem Artikel von 2016 habe ich (analog zu Kollege Dela Cruz) Gedankenspiele mit Summen um die 5.000 Euro angestellt. Und auch ich muss das nun deutlich nach oben korrigieren. Es mag schon sein, dass wir hierzulande noch nicht ganz auf dem Niveau sind wie in der amerikanischen Hochpreisregion San Francisco Bay Area, aber mit Inkrafttreten der neuen Gebührenordnung am 22. November kann und wird sich das schnell ändern.

Setzen Sie also bei Ihren Überlegungen ruhig ebenfalls die auf den ersten Blick ungeheuerlich wirkende Summe von 10.000 Euro für einen tiermedizinischen Super-GAU an, wenn Sie im Fall der Fälle auf der sicheren Seite sein wollen. Das ist NICHT unrealistisch! Glauben Sie mir! In einer aktuellen Doku des SRF über Tiermedizin wird so ein Fall dargestellt: Ein verunfallter Hund mit Wirbelsäulenverletzung, Kostenvoranschlag für erstklassige Diagnostik und chirurgische Versorgung 8000 Franken! Solche Kostenvoranschläge werden ja eher selten unterboten. Dann kommen noch zusätzliche Kosten für Kontrolluntersuchungen und Rehabilitationsbemühungen dazu, und ruckzuck sind wir im fünfstelligen Bereich.

Also: Können Sie im schlimmsten Fall 10.000 Euro spontan abdrücken? Wenn ja: Werden Sie das innerhalb der zu erwartenden Lebensspanne Ihrer Tiere immer können? Oder können Sie (schnell!) einen „Notgroschen“ in dieser Höhe beiseite legen? Wenn ja: Werden Sie ihn die ganze Zeit in dieser Höhe halten können? Wer jetzt sagt: „No way, nicht dran zu denken!“, der muss sich den Abschluss einer TKV wirklich intensiv durch den Kopf gehen lassen.

Bevor jetzt wieder unzählige Kommentare kommen, von wegen „Mein Hund / meine Katze ist aber schon alt oder vorerkrankt und wird deshalb von keiner TKV mehr angenommen!“: Ja, es ist mir natürlich sonnenklar, dass so einige von Ihnen in genau dieser Situation sind. Das kann ich aber nun mal nicht ändern. Hätte man vor vielen Jahren auf meine Warnungen gehört, wären viele dieser jetzt leider dafür zu alten Tiere schon lange ordentlich versichert. Mir ist aber in erster Linie unverständlich, dass sich selbst jetzt, wo die Novellierung der GOT durch alle Leitmedien geistert, erstaunlich wenige Neu-Tierhalter:innen für eine Tierkrankenversicherung interessieren.

Ebenfalls sonnenklar ist mir, dass sich nach wie vor zu viele Versicherungsgesellschaften gegenüber ihren Versicherungsnehmern aufführen wie die Axt im Walde, sprich: Auch langjährige Kunden werden kurzerhand einseitig gekündigt, wenn sie aufgrund irgendwelcher Parameter plötzlich ein zu hohes Kostenrisiko darstellen sollten. Aber auch diese unschöne Tatsache kann nicht ich ändern, sondern nur Sie, also die Verbraucher:innen. Machen Sie hartnäckig Druck auf die Anbieter! Nicht einseitig von der Versicherungsgesellschaft kündbare Lebenszeitverträge werden in anderen Ländern schon lange angeboten. Warum nicht hier?

Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Ralph Rückert

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