Von Ralph Rückert, Tierarzt
Nachdem die Tierarztpraxis Timmermann und Termes am 31. Mai eine viel beachtete und geteilte Klage über die Verrohung der Sitten und die Stuttgarter Zeitung einen Artikel zum gleichen Thema („Bedroht, beschimpft, erpresst: Tierärzte zunehmend unter Druck“) veröffentlicht haben, dachte ich mir, dass – Traumberuf hin oder her – das Verhalten mancher Leute tatsächlich einer der Top-3-Punkte ist, wegen derer ich froh bin, nun im Ruhestand zu sein, zumindest was meine Tätigkeit als Praxisinhaber angeht. Und zack, wie bestellt bekomme ich den folgenden Kommentar, völlig unmotiviert und zusammenhanglos unter meinem Posting über Fehlerkultur in der Tiermedizin:
„Bald dürfen sie sich von ihren jährlichen finanzierten Betriebsreisen durch Zoetis verabschieden. Ich denke das es eh an der Zeit wird, dass sie in Rente gehen … der Zahn der Zeit nagt nicht nur äußerlich bei ihnen sondern auch im Kopf scheinen die Zellen sich stark zu minimieren.“
Da ich die Verfasserin des völlig unverändert zitierten Kommentars (inklusive aller Rechtschreibfehler) natürlich sofort für meine Seite blockiert habe, eine kurze Darstellung der öffentlich sichtbaren Informationen zu ihrer Person: Eine (aus meiner Sicht) noch recht junge Frau, offenbar Soldatin, von Beruf Zahnmedizinische Fachangestellte mit einem Bachelor für Zahnhygiene und Präventionsmanagement, und (ehemaliges?) Vorstandsmitglied des Verbandes Deutscher Dentalhygieniker, mithin also auf den ersten Blick ein respektables Mitglied unserer Gesellschaft.
Wie kommt so jemand darauf, mich ganz persönlich derartig hemmungslos anzugreifen und zu beleidigen, inklusive Altersdiskriminierung, Bodyshaming und des Vorwurfs der Käuflichkeit? Ich hatte mit dieser Person meines Wissens nie irgendeinen persönlichen Kontakt und habe ihr sicher nie etwas Böses getan. Ich habe allerdings – und da scheint buchstäblich der Hund begraben zu sein – eine völlig andere (halt einfach wissenschaftlich begründete) Meinung zu Impfungen, Ektoparasitika und Librela. Die Frau hatte vor einiger Zeit den Tod ihres Hundes zu betrauern, der ihrer Meinung nach an einer durch Librela verursachten Autoimmunreaktion (Thrombozytopenie) verstorben war. Also scheint sie mir meine in einem anderen Artikel zum Ausdruck gebrachte Auffassung übel zu nehmen, dass aus Sicht eines Praktikers, der Tausende von Dosen verwendet hat, dieses Produkt (mit der korrekten Indikationsstellung!) nach wie vor ausreichend sicher verwendet werden kann und ungezählten Patienten große Erleichterung von ihren Schmerzen verschafft.
Scrollt man weiter durch die Timeline der Dame, bestätigt sich wieder mal ein inzwischen klassisches Muster: Die hemmungslosesten, hasserfülltesten und abstrusesten Kommentare und Rezensionen gehen fast immer Hand in Hand mit dem Teilen von Inhalten aus der rechten Verschwörungsszene oder gar aus definitiv rechtsradikalen Kanälen. So leider auch hier, was im Fall einer Soldatin für den Dienstherrn von einem gewissen Interesse sein sollte!
Nun, wie auch immer: Mir als Ruheständler könnte dieser zitierte Kommentar trotz aller Bösartigkeit weit am Südpol vorbei gehen, wenn da nicht der Gedanke an meine aktiven Kolleginnen und Kollegen wäre, die sich regelmäßig mit solchen hasserfüllten Ergüssen auseinandersetzen müssen, während sie sich jeden Tag bei der Versorgung der Patienten den Arsch aufreißen. Wie die Kolleginnen Termes und Timmermann in ihrem Posting dargestellt haben: Irgendwann wird es für manche von uns einfach zu viel. Gerade aktuell habe ich diese Nachricht einer Kollegin erhalten, die das trefflich illustriert:
„Ich bin Tierärztin seit 15 Jahren. Mich machen diese Menschen/Patientenbesitzer momentan fertig. Ich gebe hier tagtäglich mein Bestes. Stehe mit zwei Leuten vor Gericht. Die eine wirft mir falsche Behandlung vor. (…) Es werden Rezensionen geschrieben, die nicht der Tatsache entsprechen. Ich bin am Ende. Es handelt sich um Neukunden. Ich betreibe meine Tierarztpraxis alleine. Momentan nehme ich keine Neukunden mehr auf. Ich habe Angst davor. (…) Ich traue momentan keinen Menschen mehr über den Weg. Eigentlich möchte ich momentan nicht mehr als Tierärztin arbeiten.“
Ich bin gewiss kein Freund von Prinzessin-Auf-Der-Erbse-Getue. Wir sind Profis und müssen als solche auch mit schwierigen Menschen irgendwie klarkommen. Aber solche dreist-dämlichen Ergüsse und zutiefst persönlichen Angriffe wie in dem Kommentar oben sind tatsächlich für einige von uns nicht mehr verkraftbar, und die gehen uns dann verloren, in einer Zeit, wo es auf jede und jeden von uns ankommt. Es ist zum Kotzen, was solche Hass-Kommentare für einen Schaden anrichten, und ich kann denjenigen, die sich in dieser Form zu profilieren versuchen, nur meine zutiefst empfundene Abscheu zum Ausdruck bringen.
Zuletzt meine persönliche Antwort an die Verfasserin des Kommentars: Ich bin noch nie in meinem Leben auf Kosten einer Pharmafirma verreist. Ich habe überhaupt noch nie irgendwelche finanziellen Zuwendungen von irgendwelchen Firmen erhalten. Ich bin – was meine Tätigkeit als Praxisinhaber angeht – seit Januar im Ruhestand. Und ja, der Zahn der Zeit nagt tatsächlich an mir. Wenn Sie nicht früh sterben – was ich Ihnen nicht wünsche – werden Sie irgendwann (und viel schneller, als Sie jetzt denken) vor einem Spiegel stehen, feststellen, dass Sie eine alte Frau geworden sind, sich an Ihren Kommentar von heute erinnern und sich hoffentlich so richtig dafür schämen. DAS wünsche ich Ihnen tatsächlich!
Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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