Reaktion auf zwei Postings eines gewissen Hans Richelshagen zu tiermedizinischen Gebühren

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Am 23. Juni 25 hat ein Hans Richelshagen ein Posting zu tiermedizinischen Gebühren im Pferdebereich online gestellt und einen Tag später mit einem zweiten Posting nachgelegt. Mir ist der Mann kein Begriff, aber in der Pferdezuchtszene ist er wohl kein Unbekannter.

Damit alle im Bilde sind, zitiere ich das erste Posting ganz und das zweite teilweise:

„Pferdezucht vor dem Garaus?

Gieriges Tierdoktor-Verhalten: 600 Euro für eine Besamungs-Aktion

Es stinkt gen Himmel! Was sich da so der eine oder andere Tierdoktor herausnimmt! Die pure Gier treibt Teile dieser „heilenden“ Zunft zu makabren Gebaren. Im Bremer Umland mußte ein Züchter nunmehr 600 Euro berappen, damit ein Tier-Medizinmann die berühmte Nase auch gänzlich voll bekam. Für was? Der „Halsabschneider“, so deuteten es Wissende dieser Art von „Absahne-Qualitäten“, aus Worpsweder Gefilden, hatte eine Stute des Züchters berieselt und gepudert, getupfert und besamt und für diese seine Dienstleistung die schwindelerregende Botschaft übermittelt, er möge ihm doch bitteschön obiges Salär zukommen lassen. Dem, der diesen Schuss vor den Bug abbekam, fiel die Kinnlade herunter. Er war perplex und nahm kurzerhand mit einem Doktor-Kollegen Kontakt auf, der seine anderen Stuten nunmehr zu rational nachvollziehbaren Überweisungen behandeln soll. Die tierärztlichen Rechnungsstellungen sind vielfach eine Schande für unser Land. Schuld an diesem endlosen Dilemma sind nicht zuletzt auch die Zuchtverbände, die beizeiten keinerlei Intervention an den Tag gelegt haben, um „diese Seuche“ erst garnicht aufkommen zu lassen. Was nimmt es Wunder, wenn die Pferdezucht hierzulande in Agonie verfällt: Fohlen keine rentablen Preise aufbringen, drei- und vierjährige Reitpferde en Masse in verlustgeschwängerten Preisgefügen dahin dümpeln – und die aktuellen Besamungs-Aktivitäten bis zu 40 Prozent rückläufige Tendenzen aufweisen. Die Tierärzte-Crew trägt in einem nicht unerheblichen Maße an diesem Niedergang pferdezüchterischer Anstrengungen mit schuld. Es kann nicht erstaunen, wenn bei dem einen oder anderen Pferdezuchtverband alsbald die Lichter ausgehen: keine Fohlen, keine Züchter, keine Sportpferde. Die Macher in den Schaltzentralen haben oder wollen es immer noch nicht kapieren, aber sie haben fest geschlafen, als das Gebühren-„Massaker“ sich einst auf den Weg machte, der Pferdezucht den Garaus zu machen!“.

Zitat aus dem zweiten Posting:

„Mein gestriger Kommentar über tierärztliches Raubritter-Tum mit seinen verschiedenen Strömungen an gierigen Abzocke-Alternativen sowie das schlafmützige, sippenhafte Gebaren der jeweiligen Verbände aus Zucht und Sport schlägt offenbar Wellen. Mich erreichten Nachrichten aus juristischen Kreisen, wonach – auch Staatsanwälte – darauf dringen, diesem „perversen Ungemach geldgeiler, ausnehmender Wesen“ sogleich dezidiert und nachhaltig einen Riegel vorzuschieben, indem die von dieser „schamlosen Raffsucht“ betroffenen Züchter mit einer Strafanzeige bei den für sie zuständigen Staatsanwaltschaften vorstellig werden sollten. Die eifrigen Bemühungen einzelner privater Organisationen, bei den selbstherrlichen politischen Kulissenschiebern eine spürbare Veränderung der schrillen Situation der Pferdebesitzer herbeizuführen, dürfte nach Meinung von in diesem Kontext agierenden Personen Jahre dauern. Sonderlich „in die Vollen“ sollen nach Angaben dieser streitbaren Zeitgeister Pferde-Kliniken gehen, die für einen Aufenthalt in ihren „heilenden Palästen“ gleich das „doppelte Unheil“ – gemessen an ihren früheren Vergütungen – ihren „Kunden“ aufbürden. Die Impertinenz kennt offenbar keine Grenzen.“

Eine direkte, inhaltliche Auseinandersetzung haben die beiden Postings nicht verdient. Die knappe Antwort, die mir auf dieses diffamierende und sprachvergewaltigende Geschwafel in den Sinn kommt, bringt das Titelbild trefflich rüber. Es geht mir nur um den einen, ganz entscheidenden Punkt, den diese Leute, die Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um vom Gesetzgeber eine Überarbeitung der GOT einzufordern, wohl einfach nicht verstehen können oder wollen:

Es gibt keinen Weg zurück!

Die Neufassung der Gebührenordnung ist unter realistischer Betrachtung gar nicht wirklich für die deutliche Erhöhung tiermedizinischer Gebühren verantwortlich. Sie hat nur als Initialzündung einen Knoten im kollektiven Kopf unseres Berufsstandes platzen lassen. Parallel entwickelte sich auch der drastische Fachkräftemangel, mit dem wir schwer zu kämpfen haben und der dazu führt, dass tiermedizinische Leistungen inzwischen ein knappes Gut geworden sind. Um überhaupt qualifizierte Kräfte – ob nun angestellte Kolleginnen und Kollegen oder Tiermedizinische Fachangestellte – zu bekommen und halten zu können, müssen inzwischen Gehälter gezahlt werden, die noch vor fünf Jahren unvorstellbar waren. Und die (in viel zu geringer Zahl) nachrückende Generation an Praxis- und Klinikinhaber:innen denkt nicht mal im Traum daran, die massiv gestiegenen Kosten etwa nicht an die Tierbesitzer:innen weiterzugeben, was sie auch angesichts der Tatsache, dass sie etwas anbietet, was extrem nachgefragt ist, gar nicht nötig hat.

In den letzten Jahren ist es in der deutschen Tiermedizin zu einem ganz grundsätzlichen Strukturwandel gekommen, der seinen Höhepunkt aber noch keineswegs erreicht hat: Angestellte Tierärzt:innen und Tiermedizinische Fachangestellte sind in einer starken Position und können mehr oder weniger ihre Arbeitsbedingungen und Gehälter diktieren. Die Praxisinhaber:innen müssen sich aufgrund hoher Nachfrage nach ihren Leistungen, die sie wegen des Fachkräftemangels sowieso hinten und vorne kaum oder nicht mehr befriedigen können, nicht für jede Kundin und jeden Kunden verbiegen und vor allem nicht mehr mit Billigpreisen um mehr Zulauf buhlen. Wenn heutzutage jemand abspringt, weil es ihm zu teuer ist, führt das nicht mehr wie früher zu Aufregung, sondern nur noch zu Schulterzucken, weil es ja eh genug zu tun gibt. Dieser Strukturwandel wird in den nächsten Jahren durch das massenhafte Ausscheiden der Boomer-Generation aus dem Berufsleben immer noch mehr Fahrt aufnehmen.

Es hat sich also seit Inkrafttreten der GOT-Neufassung durch ganz andere Faktoren (wie eben den Fachkräftemangel und das Praxis-/Kliniksterben) ein neues Gefüge aus Gebühren, Kosten und Gehältern entwickelt, das sich nicht mehr umkehren lässt, völlig egal, was der Gesetzgeber eventuell an der GOT ändern würde. Niemand, weder die TFAs, noch die angestellten Kolleginnen und Kollegen, noch die Inhaber:innen werden einen Rückschritt für sie persönlich akzeptieren. Es darf sich niemand etwas vormachen: Das jetzige Gebührenniveau wäre auch mit der alten GOT zu erreichen gewesen und kann natürlich völlig unabhängig von etwaigen Detailänderungen an der aktuellen Fassung locker gehalten werden. Und genau das wird so passieren!

Das bedeutet, dass diese Leute, die sich ständig an Forderungen nach einer erneuten Änderung der Gebührenordnung abarbeiten, den völlig falschen Baum anbellen. Es sind ganz andere Faktoren, die die tiermedizinischen Gebühren nach oben getrieben haben und auch noch weiter treiben werden. Das, was da gerade läuft, ist eine Adjustierung an drastisch veränderte Grundbedingungen. Solche Vorgänge – das lehrt uns die Wirtschaftsgeschichte – nehmen keine Rücksicht auf irgendwen oder irgendwas. Wer oder was sich nicht anpassen kann, verschwindet vom Markt. Es mag also durchaus sein, dass das Geschäftsmodell „Pferdezucht“ nicht mehr so funktioniert wie bisher, wenn es tatsächlich in dem Ausmaß, wie jetzt gebarmt wird, von tierärztlichen Billig-Billig-Gebühren abhängig war.

In Social-Media-Diskussionen dieses Themas werden enorm häufig Doomsday-Prophezeiungen abgesondert, so in dem Sinne, dass bald niemand mehr Tiere halten (oder Pferde züchten) würde, und damit dann unser Berufsstand sich selber abgeschafft hätte. Davon abgesehen, dass diese Propheten offenbar Glaskugeln haben, über die wir nicht verfügen, liefern die Daten aus Ländern mit noch höheren tiermedizinischen Gebühren überhaupt keine Grundlage für diese Befürchtungen. Darüber hinaus wäre eine gewisse Gesundschrumpfung des in letzter Zeit sprunghaft gestiegenen Hobby-Tierbestandes aus unserer Sicht sogar wünschenswert, damit wir mit der Arbeit wieder nachkommen. Es macht uns nämlich tatsächlich schwer zu schaffen, wenn leidenden Tieren aus purem Mangel an verfügbarer Arbeitskraft nicht geholfen werden kann.

Also, alles in allem: Es ist jetzt so und es bleibt auch so! Es gibt keinen Weg zurück! Die indirekte Subvention der Hobby-Tierhaltung auf dem Rücken vor allem der TFAs und der angestellten Kolleginnen und Kollegen ist Geschichte und kommt nicht wieder!

Natürlich gehen Anpassungsvorgänge immer mit Pendelbewegungen einher. Es mag also durchaus sein, dass die Gebühren einer bestimmten Einrichtung oder in einer Region auch mal temporär wieder leicht sinken. Aber insgesamt wird es auf absehbare Zeit keine wirkliche Verbilligung tiermedizinischer Leistungen geben. Ganz im Gegenteil: Solange der Kostendruck und der Fachkräftemangel anhalten, kann es eigentlich nur immer noch teurer werden. Eine etwaige Überarbeitung der GOT ändert daran rein gar nichts!

Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Ralph Rückert

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