Von Ralph Rückert, Tierarzt
Die für 2026 anstehende Prüfung der vor drei Jahren in Kraft getretenen Neufassung der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) fängt an, in den sozialen Medien Wellen zu schlagen, siehe Screenshot. Sowohl viele Tierbesitzer:innen als auch Organisationen wie die Reiterliche Vereinigung FN oder Tierschutz-Orgas verbinden mit dieser Auswertung bzw. Überprüfung die Forderung, dass die tierärztlichen Gebühren wieder billiger werden müssten, wie es in diesem Zitat von der Facebook-Seite „Tierschutz“ zum Ausdruck kommt:
„Unsere Forderung: Wir rufen dazu auf, dass die 2026 anstehende Prüfung der GOT nicht rein wirtschaftlich, sondern mit Blick auf Tierwohl, soziale Auswirkungen und Versorgungssicherheit erfolgt — damit kein Tier aus finanziellen Gründen leiden muss.“
Gleich hier der Spoiler: Diese Forderungen bzw. Hoffnungen werden sich mit Sicherheit nicht erfüllen! Es ist völlig unerheblich, ob da in einzelnen Details irgendwie nachgebessert wird, das insgesamte Preisniveau wird so bleiben, wie es ist, bzw. weiter steigen. Die neue GOT bietet dafür so oder so mehr als genug Luft nach oben.
Ich verstehe ja durchaus diesen Wunsch, dass etwas, was sich in letzter Zeit deutlich verteuert hat, wieder billiger werden möge. Auch ich würde gern wieder billiger essen gehen oder einen kleinen KFZ-Kundendienst wieder für unter 1000 Euro bekommen, aber das ist angesichts der Gesamtsituation unrealistisch. Wir haben nun mal einen echt drastischen Fachkräftemangel, der alle personalintensiven Dienstleistungsbereiche erfasst hat und an dem sich mittelfristig nichts ändern lassen wird. Um qualifizierte Tiermedizinische Fachangestellte und Tierärzt:innen zu bekommen und dann auch zu halten, muss man inzwischen sehr schöne Gehälter bieten, und die Personalkosten sind nun mal DER Kostenfaktor schlechthin. Schon allein deswegen ist ein Wieder-Billiger-Werden absolut keine Option.
Und auch meine Inhaber-Kolleginnen und -Kollegen werden in diesen Zeiten, in denen auch für sie alles immer noch teurer wird, sicher keine Abstriche an ihrem persönlichen Einkommen hinnehmen, um die Gebühren wieder zu senken. Warum auch? Sie bieten Leistungen an, für die die Nachfrage das Angebot überschreitet und die – den Marktgesetzen zufolge – teuer bezahlt werden müssen. Wir kommen durch die Entwicklung in den letzten drei Jahren dem Ziel, dass durchschnittliche Praxisinhaber:innen endlich ein ihrer Ausbildung, ihrem Einsatz und ihrem unternehmerischen Risiko angemessenes Einkommen erzielen sollen, einen ordentlichen Schritt näher.
Nun kann man in den Diskussionen zu diesem Thema immer reihenweise zwei Arten von Kommentaren lesen: Erstens „Die Tierärzte und ihre Angestellten sollen natürlich auch was verdienen, aber…“. Mal ganz davon abgesehen, dass man nach einer weit verbreiteten Regel in so einer Satzkonstruktion alles, was vor dem „aber“ kommt, als unerheblich vom Tisch wischen kann, bemerkt man meist bei den weiteren Ausführungen der Kommentarverfasser:innen mit größtem Erstaunen, dass sich diese dann auch das Recht anmaßen, darüber zu bestimmen, welche Einkommen für Praxisinhaber:innen, für angestellte Tierärzt:innen und für Tiermedizinische Fachangestellte „angemessen“ sein sollen, was natürlich mehr als dreist ist.
Zweitens (und das ist der absolute Hit) steht da häufig „Ich kenne keinen Tierarzt, der schon vor der neuen GOT am Hungertuch nagen musste“. Dazu zwei Gedanken: ICH kenne deutlich mehr Kolleginnen und Kollegen als Sie alle, und ich kenne sehr wohl welche, die vor der GOT-Novellierung vielleicht nicht direkt am Hungertuch genagt, aber doch viel zu wenig verdient haben, in einigen Fällen weniger als ihre eigenen Angestellten. Das tiermedizinische Prekariat ist gut versteckt, meist aufgrund einer Art Quersubventionierung durch ordentlich verdienende Lebensparter:innen. Ansonsten kann ich auf diesen inflationär gebrauchten Spruch nur wieder anführen: Tierärzt:innen üben einen heutzutage extrem nachgefragten Beruf aus. Nach Jahrzehnten, in denen es in Relation zur Nachfrage viel zu viele von uns gab, sind wir nun deutlich zu wenige. Angesichts dieser Tatsache ist natürlich nicht einsichtig, warum die Inhaberin / der Inhaber einer erfolgreichen Praxis mit (nur als Beispiel) acht Angestellten nicht in etwa das gleiche wie eine Oberärztin / ein Oberarzt in einer humanmedizinischen Klinik verdienen sollte.
Und was ist mit dem oben angeführten Gedanken, dass kein Tier aus finanziellen Gründen leiden soll? Ja, natürlich ist dieser Wunsch aller Ehren wert, aber das läuft halt nicht mehr – wie jahrzehntelang üblich – einzig und allein auf unsere Kosten! Es ist ja offensichtlich, dass es solche Fälle, in denen Tiere aus Geldmangel nicht ordentlich tiermedizinisch versorgt werden, auch vor der GOT-Novellierung immer schon gab und auch in Zukunft immer geben wird. Das war schon vor fast 100 Jahren ein Thema, wie man bei meinem berühmten Kollegen James Herriot nachlesen kann. Wollten wir das vermeiden, müssten wir tatsächlich völlig kostenlos behandeln, denn irgendwen gibt es immer, dem selbst die niedrigsten Gebühren noch zu hoch sind. Wir sind als Berufsstand einfach nicht verantwortlich dafür, ALLEN Menschen ohne Berücksichtigung ihrer finanziellen Situation eine Hobbytierhaltung zu ermöglich, und wenn diese noch so viele positive Auswirkungen haben mag.
Wer sich um die (so klischeehafte wie realitätsferne!) arme Rentnerin mit ihrem vierbeinigen Freund so große Sorgen macht, wie immer unter Krokodilstränen beteuert wird, der soll halt handeln und helfen. Es spricht ja nichts gegen lokale oder überregionale Unterstützungsnetzwerke, in denen die Besserverdienenden den Ärmeren eine Tierhaltung ermöglichen. Auf gut Englisch: Put your money where your mouth is! Oder auf Schwäbisch: It bloß schwätza, macha! Nur zeigt nicht ständig mit dem Finger auf uns! Wir spielen dieses Spiel nach Jahrzehnten, in denen es Tierärzt:innen und ihren Angestellten echt unterirdisch ging und die Tierhalter:innen im internationalen Vergleich wahrlich paradiesische Zustände erlebt haben, einfach nicht mehr mit!
An dieser Stelle wird dann, meist in so einem passiv-aggressiven Unterton, extrem häufig ein drittes Argument vorgebracht: Es würden sich in Zukunft so wenige Leute Hobbytierhaltung leisten können, dass sich der tierärztliche Berufsstand mangels Kundschaft sozusagen selber abschaffen würde. Dazu sage ich: Warten wir doch einfach mal ganz gelassen ab! Die vorliegenden Daten aus Ländern mit extrem hohen Gebühren lassen die Feststellung zu, dass die tiermedizinischen Kosten offenbar keinen direkten Einfluss auf die Zahl der gehaltenen Haustiere haben. Davon abgesehen wäre eine gewisse und maßvolle Gesundschrumpfung der Haustierhaltung auch aus unserer Sicht durchaus keine schlechte Sache, damit die immer weiter abnehmende Zahl an Praxen und Kliniken wieder zum Tierbestand passt. Man muss es leider offen sagen: Spätestens seit der Pandemie haben reichlich viele Leute Tiere gehalten, die besser keine halten sollten.
Wie auch immer: Die jetzt anlaufende Evaluation der GOT-Novelle wird NICHT zu wieder sinkenden Behandlungskosten führen. Wer darauf hofft, macht sich was vor!
Bleiben Sie mir trotz solch unangenehmer Botschaften gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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