Von Ralph Rückert, Tierarzt
Im Juni 25 wurde auf der Homepage der „ReiterInfos“ ein Artikel von Rechtsanwalt Andreas Ackenheil eingestellt, mit dem Titel „Ist ein „Es tut mir leid“ vom Tierarzt ein Schuldeingeständnis?“
Bitte lesen Sie den verlinkten Artikel (dauert nur drei Minuten!), damit Sie wissen, um was es geht.
Dieser Artikel wurde in einer tiermedizinischen Fachgruppe zum Thema und kurz diskutiert. Ich war nach dem Durchlesen erst mal beruhigt, denn das Oberlandesgericht Dresden hatte ja tatsächlich im Sinne des gesunden Menschenverstandes entschieden, dass allein die Formulierung „Es tut mir leid, dass…“ sicherlich kein Eingeständnis irgendeiner Schuld an einem negativen Behandlungsverlauf bedeutet. Trotzdem wollte mir die Sache irgendwie nicht aus dem Kopf gehen.
Erstens ist da der vorletzte Satz des Herrn Rechtsanwalts: „Es [ein mitfühlendes „Es tut mir leid“ seitens des Tierarztes] kann ein erstes Indiz sein, das den Verdacht auf einen Fehler lenkt.“ Dazu kann ich nur sagen: Nein! Drückt man Tierbesitzer:innen im Rahmen der Benachrichtigung über einen unglücklichen Behandlungsverlauf sein Bedauern und sein Mitgefühl aus, ist das absolut kein erstes Indiz für einen Behandlungsfehler, sondern allenfalls ein Zeichen für Empathie und Anstand!
Zweitens mache ich mir durchaus ein bisschen Sorgen, dass sich junge und noch unerfahrene Kolleginnen und Kollegen diesen Vorgang mehr zu Herzen nehmen könnten, als er eigentlich verdient. Ich habe im Rahmen meiner 35jährigen praktischen Tätigkeit zu jeder Menge Menschen gesagt, dass mir ein ungünstiger oder tragischer Ausgang leid tue, in beispielhaften Kontexten wie „Es tut mir schrecklich leid, aber die Verletzungen ihres Hundes waren mit dem Leben nicht mehr vereinbar“ oder „Es tut mir sehr leid, aber unsere Wiederbelebungsmaßnahmen waren nicht erfolgreich“, ohne dass deshalb je irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, mich dafür vor Gericht zu zerren. Deshalb gehe ich davon aus, dass man als Tierbesitzer:in schon eine ziemlich toxische Denkweise haben muss, um überhaupt auf die verwegene Idee zu kommen, dass der Ausdruck von Mitgefühl für einen tragischen Ausgang ein Schuldeingeständnis bedeuten könnte.
„Es tut mir leid“ bedeutet wörtlich, dass mir etwas Leid antut, und genau darum geht es. Wenn wir sagen „Es tut mir leid“, dann bringen wir zum Ausdruck, dass wir das Leid der betreffenden Tierhalter:innen mitempfinden und auch selber beträchtlich darunter leiden, dass unsere Bemühungen nicht zum Erfolg geführt haben. Ich fände es sehr bedauerlich, wenn sich Kolleginnen und Kollegen durch so ein schräges Ereignis und seine stellenweise seltsame Interpretation durch einen Rechtsanwalt davon abhalten lassen würden, ihr Mitgefühl auch offen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind nun mal keine medizinischen Industrieroboter!
Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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