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Wer kann es sich denn überhaupt noch leisten

Wer kann es sich denn überhaupt noch leisten, Tiere zu halten?

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Eine Nachricht über den Messenger:
„Hallo Herr Rückert, ich bin ein sehr großer Fan von Ihnen und wenn Sie in meiner Nähe wären, wären Sie der Tierarzt meines Vertrauens. Im Moment frage ich mich, wie ich es mir überhaupt noch leisten kann, Tiere zu halten, obwohl wir bestimmt zu den Besserverdienenden gehören. Unser kleiner Zoo umfasst ein Pferd, zwei Pudel, zwei Kaninchen und eine Schildkröte. In diesem Jahr haben wir bereits weit über 10 000€ Tierarztkosten. Pferd in der Klinik in Gießen mit OP ( OP Versicherung hat nicht gezahlt), Zahn Op beim Kaninchen von 1400€ und diese Woche noch eine Kolik mitten in der Nacht in Höhe von 1104€. Granne im Ohr beim Pudel. Haarband gefressen usw. Wir sind dieses Jahr echt am Limit, und ich möchte gar nicht wissen, wie es sich anfühlen muss, wenn man nichts tun kann, nicht helfen kann, weil man es sich einfach nicht mehr leisten kann. Meine Eltern meinten, als die Kolik beim Kaninchen war, ich hätte mich auch ins Bett legen können und am nächsten Morgen hätte sich „die Sache“ erledigt gehabt. Aber was wäre ich für ein Mensch, wenn ich das getan hätte, ich könnte das nicht, und wenn ich das getan hätte oder tun müssen, weil ich es mir nicht hätte leisten können, dann hätte mich das für immer verfolgt. Ich kann natürlich verstehen, dass alles seinen Preis hat, aber wo soll das alles noch hinführen? Wer kann sich denn überhaupt noch leisten, Tiere zu halten und sie falls nötig entsprechend ärztlich versorgen zu lassen? Ich würde mich über eine Antwort von Ihnen sehr freuen!“
Also, die Leserin fragt: „Wer kann sich denn überhaupt noch leisten, Tiere zu halten und sie falls nötig entsprechend ärztlich versorgen zu lassen?“. Ich würde diese Frage in diesem speziellen Fall eigentlich umformulieren wollen in „Wer kann sich denn überhaupt noch leisten, SO VIELE Tiere zu halten, speziell Tierarten wie Pferd und Kaninchen, die in der Tiermedizin bekannt und berüchtigt dafür sind, ein enormes Kostenrisiko mit sich zu bringen?“.

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Bullshit-Marketing in der Tiermedizin und wie man es erkennt

Bullshit-Marketing in der Tiermedizin und wie man es erkennt

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Werbung ist unbestreitbar notwendig, denn: Wer nicht wirbt, der stirbt! Richtig ist aber auch, dass es solche und solche Werbung gibt. Die eine Sorte überhöht die an sich tatsächlich guten Eigenschaften eines Produkts und macht es dadurch begehrenswerter. Ein Beispiel dafür wären die eigentlich immer zu niedrig angegebenen Verbrauchszahlenangaben bei ansonsten ordentlich gebauten Autos. Sowas ist nicht wirklich korrekt, aber man kann ganz gut damit leben.
Die andere Sorte von Werbung aber versucht Ihnen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Geld aus der Tasche zu ziehen, indem völlig nutz- und funktionslose Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren als einzigartig und konkurrenzlos dargestellt werden. Fallen Sie drauf rein, bekommen Sie für Ihr Geld genau gar nix. Sie werden also faktisch betrogen. Es werden Hoffnungen und Erwartungen geweckt, die die beworbene Sache nie und nimmer erfüllen kann. Und natürlich gibt es Nepper, Schlepper und Bauernfänger, die mit solchen Methoden arbeiten, auch in der (Tier)Medizin und in ihrer Peripherie. Wer was anderes glaubt, ist leider naiv! Aber wie erkennt man solches Bullshit-Marketing?

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Man sollte nur so viel Hund haben, wie man auch tragen kann!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Neulich hat Perdita Lübbe-Scheuermann (nebenbei bemerkt und um ein bisschen die Werbetrommel zu rühren: Die Autorin des sehr bemerkens- und empfehlenswerten Kinderbuchs „Pfotenteam: Hund kinderleicht erklärt“) in einem Posting obigen Leitsatz erwähnt und geschrieben, dass sie ihn eigentlich nicht so gerne hört. Ich habe dieses Posting in dem Sinne kommentiert, dass ich das aus meiner Sicht als Tierarzt für einen sehr sinnvollen Ratschlag halte, möchte dies aber hier im Blog nochmal genauer ausführen.
Ganz allgemein und vielleicht etwas provokativ: Viele Leute haben zu große Hunde! Dabei geht es mir weniger um den Alltag der Hundehaltung, wenn man sich auch diesbezüglich oft fragt, wie zum Beispiel eine 55 kg schwere Frau mit über 60 Jahren zwei Ridgeback-Rüden kontrollieren will, wenn es mal Ärger gibt. Nein, Thema dieses Artikels soll im Sinne der Überschrift sein, dass ein für die körperlichen Fähigkeiten von Besitzerinnen und Besitzern zu großer Hund bei einem medizinischen Notfall ein echtes Problem darstellen kann.

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Eine Buchempfehlung: "Graue Schnauze

Eine Buchempfehlung: „Graue Schnauze, großes Herz: Vom Glück, einen alten Hund zu haben“ von Sophie Strodtbeck und Michael Frey Dodillet

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Der Verlag und Herr Dodillet mögen mir verzeihen, wenn ich Sophie als Autorin zuerst erwähne. Das hat nichts mit „Ladies first“ zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass ich mit Sophie befreundet bin. Wir Mediziner:innen sind ja darauf getrimmt, so einen „Conflict of interest“ sogleich offen zu legen.
Für Ungeduldige mein Fazit gleich zu Anfang: Das Buch ist eine klare Empfehlung für alle Personen, die einen oder mehrere Hunde halten. Es behandelt ein Thema, eben das Altwerden, dem wir alle nicht entkommen können und mit dem man sich idealerweise mit etwas Vorlauf auseinandersetzen sollte. Meine eher schlichten Anforderungen an ein Buch werden alle erfüllt: Es liest sich sehr unterhaltsam, bringt einen häufig zum Lachen, nimmt aber auch emotional mit, und am Ende ist man auf jeden Fall schlauer und informierter als vorher. Perfekt!

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Wieder ein Schlachthofskandal und ein Berufsstand als Sündenbock

Wieder ein Schlachthofskandal und ein Berufsstand als Sündenbock

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Vor ein paar Tagen wurde von der Tierrechtsorganisation Aninova ein neuer Schlachthofskandal öffentlich gemacht. Videoaufnahmen aus dem Schlachthof Elsfleth bei Oldenburg (Niedersachsen) zeigen einem Kurzgutachten der „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V.“ zufolge absolut unhaltbare Zustände in allen Bereichen. Der Schlachthof wurde inzwischen geschlossen.
Viel besser als das nachträgliche Schließen eines Betriebes, der – nach dem Videomaterial zu schließen – wohl schon lange und gewohnheitsmäßig gegen alle möglichen Regelungen verstoßen hat, wären natürlich wirklich funktionierende Kontrollmechanismen, die zuverlässig verhindern würden, dass solche Zustände überhaupt entstehen können. Dass wir derartige Kontrollmechanismen schlicht nicht haben (oder nicht haben wollen?), kann man aus der reinen Zahl von Schlachtbetrieben ersehen, in denen Tierrechtsorganisationen immer wieder schlimme bis grauenhafte Zustände aufdecken. Man kann also mit Fug und Recht von einem kompletten Systemversagen reden.

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Ein hartnäckiges und nervendes Gerücht: Der "Medizinische Eid"

Ein hartnäckiges und nervendes Gerücht: Der „Medizinische Eid“

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Beispielhafte Zitate:
-Das Übliche, das man in den sozialen Medien immer dann zu lesen bekommt, wenn eine Kollegin / ein Kollege auf irgendeine Weise nicht die Erwartungen erfüllt hat:
„Auch Tierärzte gaben einen Eid ab… Dieser Tierarzt hat völlig versagt“ (Quelle: Eine Katzen-Gruppe auf Facebook)
-So infam wie falsch, speziell wenn es von einer Organisation kommt, die es wirklich besser wissen müsste:
„Bei Ärzten für Menschen gibt es den hippokratischen Eid. Bei Tieren ist man davon weit entfernt. Tierärzte sind all zu oft willige Handlanger der Tierquälerei.“ (Quelle: Die Homepage der „Soko Tierschutz“)
Um es für eilige Leserinnen und Leser gleich vorwegzunehmen: Das stimmt einfach nicht und ist nicht mehr als ein extrem hartnäckiges Gerücht! Wie ich in anderen Artikeln schon mehrfach erläutert habe: Weder in der Tiermedizin noch in der Humanmedizin wird im Rahmen der Berufszulassung (Approbation) irgendein rechtsverbindlicher Eid geleistet! Oder um es mal anders und ein bisschen drastischer auszudrücken: Wir Mediziner:innen, ob nun für Tiere oder für Menschen, sind durch keinen Eid verpflichtet, Sachen zu machen, die irgendjemand nach irgendwelchen nebulösen Vorstellungen für unsere Pflicht hält!

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Postoperative Nachsorge: Gras wächst nicht schneller

Postoperative Nachsorge: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
In vielerlei Hinsicht ist das, was wir in der modernen Kleintiermedizin machen, keinen Deut anders als in der Humanmedizin. Zum Beispiel habe ich für meine Hüft-TEP pfeilgrad die gleiche Narkose bekommen, die ich einem Hund für einen größeren Eingriff auch verpasst hätte. Ein krasser Unterschied ist und bleibt aber die Vorgehensweise bezüglich der postoperativen Nachsorge. In der Tiermedizin werden sehr viele Eingriffe, die in der Humanmedizin einige Tage stationären Aufenthalt nach sich ziehen, ambulant durchgeführt, sprich der Patient wird selbst nach ziemlich schweren Operationen gleich am OP-Tag, häufig sogar innerhalb von Stunden, in die häusliche Pflege entlassen.
Nehmen wir als Beispiel eine Splenektomie (Entfernung der Milz): Ein splenektomierter Hund wird bei uns ein bis zwei Stunden nach dem Aufwachen entlassen. Er verlässt die Praxis auf den eigenen vier Füßen also zu einem Zeitpunkt, wo man als Mensch nach dem gleichen Eingriff – noch voll auf Droge – gerade vom Aufwachraum zurück auf Station gerollt wird. Die Dauer des stationären Aufenthalts nach einer Splenektomie beläuft sich meines Wissens in der Humanmedizin auf mindestens drei bis fünf Tage. Daran wird sich auch trotz aller Bemühungen, Krankenhausaufenthalte zu verkürzen, nicht viel ändern lassen. Diese Tage werden genützt, um durch engmaschige Kontrollen bestimmter Parameter das Wohlbefinden des Patienten sicher zu stellen und etwaige Komplikationen frühzeitig zu entdecken.

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Der Tierarzt als Patient im Krankenhaus

Der Tierarzt als Patient im Krankenhaus

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Vergangene Woche habe ich meine Hüftgelenkprothese (TEP, künstliches Hüftgelenk) eingebaut bekommen. Für die Durchführung des Eingriffs habe ich mich vertrauensvoll in die routinierten Hände von Prof. Dr. Johannes Beckmann und seinem Team im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München begeben. Obwohl ich ein paar Tage nach der Operation noch lange nicht aus dem Zeitfenster für etwaige Komplikationen raus bin, so bin ich doch sehr erfreut und zufrieden, wie schnell man nach einem solchen doch recht heftigen Eingriff wieder auf die Füße kommt.
Für einen Gelenkersatz wählt man normalerweise eine Klinik, in der sehr viele dieser Eingriffe durchgeführt werden, denn die Erfolgsraten der Einrichtung stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Fallzahlen. Da will man also tatsächlich mal das, was man sonst in der Medizin eher nicht sucht, nämlich eine zertifizierte „Endoprothesen-Fabrik“, wo man als Patient durchläuft wie am Fließband und nach hoffentlich sehr kurzem Aufenthalt mit seinem neuen Robocop-Gelenk wieder ausgespuckt wird. Bei den Barmherzigen Brüdern bleibt man nach einer Hüft-TEP in der Regel nur drei Tage stationär und man spürt halt wirklich an allen Ecken und Enden das aus gewaltigen Fallzahlen gewachsene Selbstbewusstsein eines hochgradig spezialisierten Teams.

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Die Klugscheißerei des Monats über Narkosen und Zahnbehandlungen

Die Klugscheißerei des Monats über Narkosen und Zahnbehandlungen

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Neulich schrieb ein amerikanischer Blogger, der sich regelmäßig zum Thema Hunde äußert, im Rahmen eines längeren und gegen Tierärztinnen und Tierärzte gerichteten Textes:
„Why do human doctors and anesthesiologists typically shy away from knocking out a perfectly healthy adult with no heart, blood pressure, liver, or breathing issues? Simple: Full knock-out anesthesia is very dangerous. And yet veterinarians think nothing of doing it to a 15-pound dog for simple teeth cleaning. Why? Simple: There are „pearly white profits“ in teeth cleaning and little or no liability if things go wrong. Never mind (…) that dental scaling has not been shown to be of any use even on human patients.“
Um das ganz frei zu übersetzen: Er fragt, warum Humanmediziner davor zurückschrecken, einen perfekt gesunden Erwachsenen ohne jegliche Probleme bezüglich Herz, Blutdruck, Leber oder Lunge in Narkose zu versetzen, und gibt gleich selbst die Antwort: Einfach, weil Vollnarkosen sehr gefährlich wären! Trotzdem würden wir Tierärzt:innen uns nichts dabei denken, einen 7-kg-Hund (keine Ahnung, was das Gewicht damit zu tun hat) für eine einfache Zahnreinigung in Narkose zu legen. Er fragt warum und gibt wieder selbst die seiner Meinung nach einfache Antwort, nämlich dass die Prozedur einen guten Gewinn einbringen würde, bei wenig oder keiner Haftbarkeit im Fall eines unguten Verlaufs, und es uns außerdem völlig egal wäre, dass der medizinische Nutzen einer professionellen Zahnreinigung nicht mal für Menschen nachgewiesen sei.

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Tierarztpraxen-Monopoly

Tierarztpraxen-Monopoly, heimlich, still und leise!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Das Karussell des Ausverkaufs der deutschen Tiermedizin an Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Private Equity) dreht sich immer weiter, mal schneller, mal langsamer, in dem Fall, um den es mir hier in diesem Artikel geht, allerdings ganz ohne Musik und bunte Beleuchtung, also für Sie als Kundinnen und Kunden nur sehr schwer oder gar nicht erkennbar.
Der Stammleserschaft meines Blogs dürfte die Vorgeschichte bekannt sein: Vor nun fast 10 Jahren haben sich mit Anicura und Evidensia aus Skandinavien stammende und durch Private-Equity-Gesellschaften finanzierte Tierklinik- und Praxisketten auf Deutschland auszuweiten begonnen. Ca. fünf Jahre später wurde bekannt, dass sich der amerikanische Firmengigant Mars Anicura geschnappt hat und Evidensia größtenteils von Nestlé kontrolliert wird. Seitdem zeichnet sich – zumindest von außen gesehen – ein immer klareres Muster ab: Unternehmungslustige Leute gründen Klinik- oder Praxisketten und sammeln dann mit von Beteiligungsgesellschaften zur Verfügung gestelltem Kapital so schnell wie möglich Standorte ein. Gelingt es ihnen, eine gewisse Größe zu erreichen, taucht ein noch größerer Fisch auf, der sich das Ganze einverleibt, was für die Gründer bzw. bisherigen Kapitalgeber einen sehr warmen Regen, also einen wirklich schönen Profit bedeutet.

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